28.12.18

Schlauer beschleunigen

Maschinen, Roboter und Fahrzeuge sind ständig im Abbrems- oder Verzögerungsmodus. So ergaben Untersuchungen der TH Zürich, dass bei E-Fahrzeugen bis zu 2/3 der Energie benötigt wird, um die Nettomasse zu beschleunigen. Ein Blick über den Tellerrand zeigt, wo Verbesserungspotenzial steckt.

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Der Schleudergriff beim Madison-Bahnrennen. © Roth-Foto

 
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Juan Carlos González Villar ist Entwicklunger und Prozessoptimierer bei Kabel.Consult.Ing.

 
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Laut Studie eines Automobilzulieferers könnten im Jahr 2030 rund 50 Mio. E-Fahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebskonzepten verkauft werden. Dabei dürften sich diejenigen Antriebssysteme bevorzugt durchsetzen, die die Verzögerungs- und Abbremsvorgänge am effizientesten ausnutzen (Kers, Range Extender) und damit die Reichweite erweitern: eine Parallele zu Maschinen, Robotern und Zügen die sich ständig im Abbrems- oder Verzögerungsmodus befinden und über ein Rückspeisemodul oder eine Zwischenkreiskopplung verfügen. Untersuchungen der TH Zürich haben ergeben, dass an E-Fahrzeugen ein großer Teil der Energie benötigt wird, um das Nettogewicht zu beschleunigen. Bei E-Bussen sind es bis zu 2/3. Ein Blick zum Beispiel in den Bahnradsport zeigt, dass auch auf der Beschleunigungsseite noch Verbesserungspotenzial steckt.

Um im internationalen Bahnradsport erfolgreich sein zu können, spielt neben den zentralen Faktoren Training, Ernährung, Psyche auch die technische Ausstattung und deren Anwendungstechnik eine entscheidende Rolle. Nicht nur Kraft, Talent und Ausdauer sind entscheidend für die Leistungsfähigkeit von Athleten, ausschlaggebend sind heute vor allem die mit hohem Aufwand entwickelten Sportgeräte und Ausrüstungen. Die Entwicklung von immer besseren Materialien und Technologien wurde zunehmend als entscheidender Faktor für den sportlichen Erfolg erkannt. Zu denken ist etwa an die Entwicklung besonders leichter und ergonomischer Zeitfahr-Maschinen, Carbon-Helme und Hightech-Anzüge.

Die sporttechnologischen Neuerungen verändern auch nachhaltig die Art und Weise der sportlichen Praxis. Die Ausübung vieler Bahn-Sportarten wurde sicherer und weniger verletzungsanfällig (etwa der Helmpflicht), manche Bahn-Sportarten konnten erst auf der Grundlage technischer Innovationen entstehen, und viele Disziplinen haben sich erst mit der Technisierung weiterentwickelt. Ein wichtiger Antrieb für diese Produkt- und Prozessinnovationen ist die Suche nach Wettbewerbsvorteilen im sportlichen Wettstreit. Technische Neuerungen und Verbesserungen bringen einigen Sportlern für eine gewisse Zeit komparative Wettbewerbsvorteile gegenüber den Konkurrenten, die (noch) nicht über diese Ausstattung und deren Anwendungstechnik verfügen.

Schleudergriff beim Madison und Américaine

Das Zweier-Mannschaftsrennen – oder auch Américaine/Madison-Rennen – diese Disziplin wurde erstmals 1899 im New Yorker Madison-Square-Garden vorgestellt – gehört bei den großen Sechs-Tage-Rennen zum allabendlichen Highlight. Zwei Fahrer bilden eine Mannschaft, wobei sich immer ein Fahrer im Rennen befinden muss und sein Partner oberhalb der Bahn ein paar Minuten ausruhen kann. Abgelöst wird mit dem so genannten Schleudergriff. Dabei schiebt der im Rennen befindliche Fahrer seinen Partner mit der Hand an. Wer diese Technik gut beherrscht, kann dabei viel Kraft sparen. Ausgangspunkt dieser Technik ist das Reglement beim Zweier-Mannschaftsfahren: Von den beiden auf der Bahn befindlichen Sportlern befindet sich immer nur einer in der Wertung. Der andere lässt sich auf 25 km/h bis 35 km/h zurückfallen, um nach rund ein bis zwei Runden (aus seiner Sicht) von seinem Kollegen eingeholt zu werden. Durch das Anschieben mittels Schleudergriff kann er ohne große Anstrengung in Sekundenschnelle auf das Tempo des Feldes beschleunigen – 45 km/h bis 55 km/h – und das Rennen an Stelle seines Kollegen fortsetzen.

Technisch ist der Schleudergriff recht anspruchsvoll. Es müssen nämlich während des gesamten Vorganges beide Fahrer den Lenker mit einer Hand halten. Der sich von hinten nähernde Fahrer behält die linke Hand am Lenker und hält diesen am Oberlenker nahe dem Vorbau, während der vordere Fahrer den Lenker mit der rechten Hand im Bügel (unten) hält und sich mit der linken Hand an der ausgestreckten Hand des Partners „abzieht“. Sowohl die frühere Anschiebetechnik als auch die Ablösung mittels Schleudergriff stellen zudem hohe Anforderungen an die Konkurrenten, weil der Nachfolger beide Fahrer der sich ablösenden Mannschaft rechtzeitig mit großem Abstand umfahren muss, um nicht auf sie aufzufahren („in die Ablösung fahren“) und einen Sturz auszulösen.

Anwendungen mit archimedischer Spirale

Zentrumswickler dienen dazu, Endlosmaterialien vor oder nach einem Bearbeitungs-, Umwickel-, oder Ablängprozess zu speichern. Mathematisch gesehen handelt es sich bei einem Wickelgut um eine archimedische Spirale. Das Material wird mit einer definierten, von der Materialbeschaffenheit, Materialdicke oder vom Materialdurchmesser abhängigen Zugkraft auf- beziehungsweise abgewickelt. Jedes zu wickelnde Material stellt an den Wickelantrieb unterschiedliche und zum Teil sehr hohe Anforderungen. So darf das Material während des gesamten Wickelvorgangs nicht beeinträchtigt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass das Gewicht und die Geometrie des Wickelgutes mit wachsendem Durchmesser kontinuierlich größer werden und die Lager-Reibkräfte sowie das Trägheitsmoment des Wickelkörpers stetig steigen.

Beim Zentrumswickler wirkt der Antrieb auf das Zentrum des zu wickelnden Materials. Das Drehmoment des Motors wird über den Antriebsstrang, die Antriebswelle sowie über einen Kern auf die Materialbahn übertragen. Diese gibt das Drehmoment von den jeweils inneren Lagen auf die äußeren Lagen weiter. Die Baugröße des Motors wird durch sein Drehmoment bestimmt. Beim Zentrumswickler fällt das maximale Moment bei dem größten Wickeldurchmesser an und damit bei der geringsten Drehzahl. Die zu installierende Typenleistung (Eckleistung) des Antriebssystems ist daher bei Zentrumswicklern deutlich größer als die Prozessleistung. Obwohl hohe Drehzahlen und hohe Drehmomente nicht gleichzeitig auftreten, muss der Antrieb beide erbringen können, in der Antriebstechnik spricht man hier von einer Anwendung mit Konstantleistungs-Kurve beziehungsweise von einer Anwendung mit linear-reziprok abnehmender Lastmomentkennlinie. Es werden Elektromotoren mit einer hohen Antriebsleistung eingesetzt, die nur schlecht ausgenutzt werden können. Umrichter können durch einen Betrieb des Motors im Bereich der Feldschwächung den Drehzahlbereich des Wickelantriebs erweitern.

Zentrumswickler mit definierten Materialzugkräften werden überwiegend auf stationäre Betriebszustände ausgelegt. Die dynamischen Reserven des Umrichters reichen in den meisten Fällen aus, den Antrieb auch in Notsituationen abzubremsen. Bei sehr hohen Drehmomenten und kurzen Bremswegen kann es allerdings auch erforderlich sein, dass das Bremsmoment die relevante Größe für die Auslegung wird. Bei Wicklern mit intermittierenden Betriebsarten bestimmt das dynamische Antriebsdrehmoment die Dimensionierung. Bei dicker aufzuwickelnden/abzuwickelnden Warenbahnen ist zusätzlich das Biegemoment für die Umformung zu berücksichtigen.

Zukunft in der Antriebstechnik?

Der mechanische Antriebsstrang eines von der Kabel.Consult.Ing zum Patent angemeldeten Antriebssystems hat ein Planetengetriebe, dessen Sonnenrad von einem Drehstrom-Servomotor und dessen Hohlrad von einem zweiten, baugleichen Drehstrom-Servomotor angetrieben wird, wobei der Abtrieb über die Lagerung der Planetenräder erfolgt. Gekennzeichnet ist der mechanische Teil des Antriebssystem dadurch, dass das Hohlrad des Planetengetriebes über einen Hochleistungs-Zahnriemen – mit Kevlar/Kohlefaser-Zugelementen – angetrieben wird, wobei der Hochleistungs-Zahnriemen außen am Hohlrad fest anliegt und eine spielfreie Lasttrum/Lostrum-Verbindung bewerkstelligt. Das Ganze kann jetzt – nach dem gleichen Prinzip – mit weiteren baugleichen Antriebseinheiten modular gekoppelt werden.

Die Abtriebsdrehzahl des modular gekoppelten Antriebssystems ergibt sich gemäß der erweiterten Willis-Gleichung. Dabei werden die Motoren bei geringen Anforderungen im Feldschwächebereich, und bei zunehmenden Anforderungen hinsichtlich eines zunehmenden Drehmoments im „klassischen Ankerstellbereich“ bevorzugt als Einzelantriebe, betrieben. Falls eine noch höhere Leistung beziehungsweise ein noch höheres Drehmoment erforderlich ist, so wird dies über das Zuschalten – nach dem Schleudergriff-Prinzip – weiterer Motoren erreicht, die vorher blockiert waren.

Die einzelnen schematisch angedeuteten Antriebsstränge weisen jeweils zwei Antriebsmotoren auf. Je nach Applikationszweck unterliegen die einzelnen Abtriebswellen unterschiedlichen Drehzahlen/Drehmomenten beziehungsweise Leistungskennlinien. Gegenüber einem konventionellen „Ein-Motor“-Aufbau hat dieses neue Antriebskonzept, bestehend aus je mindestens zwei Servoverstärkern (Doppelmodul) und Drehstrom-Servomotoren plus – über Hochleistungszahnriemen zusammengesetzte – Planeten-Koppelgetriebe den Vorteil eines wesentlich höheren Gesamt-Wirkungsgrades mit der Folge, kleinere Motorenleistungen mit geringen Betriebskosten installieren zu können.

Die Vorteile des Gesamt-Antriebssystems sind auch die gleichen eines jeden Modularisierungszieles. Für den Entwickler: niedrigere Entwicklungskosten, kostengünstige Herstellung durch Stückkostendegression, baugleiche Serien und einheitliche und damit einfachere Montageprozesse, für den Anwender: schnelle und damit kostengünstige Reparaturarbeiten durch Austausch eines fehlerhaften Moduls, durch Kompatibilität und Einsatz von Gleichteilen wird die Ersatzteilbevorratung auf ein Minimum reduziert.

Durch die durchgängige Modularisierung lässt sich deren Verständlichkeit und Akzeptanz für den Hersteller – Vertrieb, Montage, Ersatzteilservice – und den Anwender bei Einkauf, Bedienung und Instandhaltung erhöhen. Das neue und zum Patent angemeldete Antriebssystem ist Signo-gefördert und gehört zur „Förderinitiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie“.

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